Dienstag, 29. September 2015

Über Grenzen

Zwei Wochen lang sind mein Freund und ich diesen Sommer unterwegs gewesen: Mit dem Fahrrad von Wien nach Belgrad. Immer an der Donau entlang: durch die Slowakei, Ungarn, Kroatien und Serbien. Durch die Länder, die Asylsuchende in die Gegenrichtung verzweifelt zu durchqueren versuchen auf ihrem Weg nach Deutschland.

Geplant war die Reise als reines Urlaubsvergnügen; aber die aktuellen Ereignisse haben uns eingeholt.



Wir starten am Sitz der Vereinten Nationen in Wien:
Dem Symbol für Friedenssicherung und universelle Menschenrechte
Vor ein paar Monaten erst habe ich dort, im UN-Gebäude, eine Ausstellung gesehen mit Plakaten der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Art. 13: "Everyone has the Right to Freedem of Movement."
Art. 14: "Everyone has the Right to Seek and Enjoy in Other Countries Asylum from Prosecution."



Über Bratislava geht es Richtung Ungarn.


Die Grenze ist hier nur durch ein kleines Schild gekennzeichnet. Keine Kontrollen, keine Zäune - ganz so, wie wir es vom Schengenraum gewöhnt sind. Leider wissen wir schon, dass die Grenze auf der anderen Seite, im Süd-Osten des Landes, ganz anders aussieht.

In Budapest angekommen wollen wir uns selbst ein Bild machen vom Bahnhof Keleti, der Durchgangsstation für Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Westeuropa.


Zahlreiche Freiwillige heißen die Flüchtlinge hier willkommen, versorgen sie mit Essen und Kleidung, bieten Steckdosen und W-LAN an. Migration Aid, Greenpeace Ungarn und zahlreiche ad hoc gegründete Initiativen. Vor ein paar Tagen noch, erzählen uns die Freiwilligen, war die Situation chaotisch: Alle Zugverbindungen nach Österreich und Deutschland waren eingestellt. Tausende Flüchtlinge saßen hier fest. Es gab nur sechs Toiletten. Die Helfer waren überfordert.
An diesem Abend fahren die Züge wieder, und zumindest bis kurz vor die österreichische Grenze dürfen die Flüchtlinge mitfahren. Sie brauchen ein Ticket und eine Sitzplatzreservierung. Die müssen sie den Polizisten vorzeigen, bevor sie das Gleis betreten dürfen. Und kurz vor der Grenze müssen sie aussteigen und zu Fuß die letzten Meter bis nach Österreich gehen. Kleine Schikanen der ungarischen Behörden — aber immerhin lassen sie die Menschen durchreisen.

Die Hilfsbereitschaft der vielen Freiwilligen in Budapest macht mir Mut. Es scheint, als wäre Ungarn bereit, zumindest Durchgangsland für die Schutzsuchenden zu sein.

Doch ein paar Tage später, in Baja, einer wunderschönen Stadt im Süden des Landes, bietet sich ein anderes Bild.
 
Die ersten beiden Soldaten sehe ich an der Schlange im Eiscafé. Als wir dann unseren Campingplatz erreichen, stellt sich heraus: Der ist zur Hälfte von der Armee gemietet.
Wegen der "illegalen Einwanderer", erklärt uns der junge Mann an der Rezeption. "Nachts schlafen die Soldaten hier, tagsüber arbeiten sie an der Grenze." 
Der Zaun wird zu diesem Zeitpunkt gerade errichtet. Das Gesetz, nachdem die Armee zum Grenzschutz eingesetzt werden darf, tritt zwei Tage, am 15. September, in Kraft.

Wir sehen zunächst nichts von dem Zaun. Die Flüchtlinge versuchen ihr Glück von den serbischen Städten Subotica und Szeged aus. Unsere Route entlang der Donau verläuft weiter südlich.

Der offizielle Grenzübergang ist bei Hercegszantó. Wir versuchen zunächst, einfach am Fluss entlang über die Grüne Grenze zu radeln - und geraten promt in eine Straßensperre, die die ungarische Polizei gemeisam mit serbischen Kollegen in Militäruniform betreibt. "Hier ist Ende", rufen sie uns zu. "dreht um". Dann müssen wir unsere Pässe zeigen: Deutsche Touristen - alles in Ordnung. 


Zwei Schäferhunde sind in Zwingern rechts uns links des Weges eingesperrt. Wahrscheinlich, um Alarm zu schlagen, falls hier jemand vorbeikommt. Vielleicht auch, um auf Menschen gehetzt zu werden, die im wahrsten Sinne des Wortes auf der Flucht sind.


Wir, die wir mit unseren deutschen Pässen in die andere Richtung unterwegs sind, behandelt man vorbildlich. Problemlos gelangen wir über die offizielle Grenze nach Serbien, wechseln dann einen Tag später über die Grenze nach Kroatien, und von dort aus wieder zurück. Es ist nervig, jedes Mal anhalten, absteigen und den Pass herauskramen zu müssen. Mehr bedeutet die Grenze für uns nicht.

Die kroatisch-serbische Grenze, eine Brücke über die Donau zwischen Ilok und Bačka Palanka, passieren wir innerhalb von fünf Minuten. Eine Woche später schließt Kroatien diese Grenze, wie auch alle anderen, für alle Autos mit serbischem Nummernschild. 

Nachdem die Soldaten aus Baja den Stacheldrahtzaun an der Grenze zu Serbien fertig gestellt haben, und an der Grenze bereitstehen, um jeden zu verhaften, der eine der beiden neu definierten Staftaten  begeht - illegal ins Land einreisen und den Grenzzaun beschädigen - versuchen die Flüchtligne ihr Glück über Flüchtlinge. 

Das Problem ist: Laut Dublin-Verordnung der Europäischen Union ist Kroatien, genau wie Ungarn, eigentlich verpflichtet, alle Flüchtlinge auf seinem Hoheitsgebiet zu registrieren — womit es dann die alleinige Verantwortung für diese Menschen zugewiesen bekommt. 
Wer trotzdem nach Deutschland weiterreist, wird zurück nach Kroatien geschickt, um dort Asyl zu beantragen. Deshalb will Kroatien am liebsten gar keine Menschen ins Land lassen.

Die Serben sind geschockt über die Grenzpolitik der Nachbarn. "Was haben wir falsch gemacht?", fragen sie uns? "Warum bestrafen die Kroaten uns, schränken unseren Reiseverkehr ein, lassen unser Obst und Gemüse an der Grenze verschimmeln?"

Die Antwort ist: Serben sind zu nett zu Flüchtlingen.

In Belgrad gibt es, wie in Ungarn, zahlreiche Freiwillige, die die Flüchtlinge empfangen, sie mit dem Überlebensnotwendigen versorgen und ihnen helfen, die Weiterreise anzutreten.
Im Finansjiki-Park zwischen Zug- und Busbahnhof haben viele Flüchtlinge Zelte aufgeschlagen, ruhen sich im Schatten unter den Bäumen aus oder waschen sich am öffentlichen Brunnen. Am Nachmittag des Eid al-Adha, dem Opferfest, gibt es sogar eine spontane Feier mit Tanz und Gesang. Die Stimmung ist fröhlich: Wer es aus dem nahen Osten oder Nordafrika bis hier her geschafft hat, der hat Hoffnung, auch den Rest zu schaffen.


Auf diese Tafel schreiben Freiwillige in Englisch und Arabisch die aktuellsten Informationen: Welcher Grenzübergang ist noch offen? Was ist der beste Weg dorthin?
 Die Serben wissen, was es heißt, vor Krieg fliehen zu müssen. Und sie haben es nicht vergessen.

Gebäude, die bei den NATO-Luftangriffen 1999 zerstört wurden, stehen als Mahnmale in der Stadt. Während der Balkankriege und später im Kosovo-Krieg hat Serbien immer wieder Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Wer aus dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen ist stößt hier sogar auf mehr Verständnis als Menschen, die vor politischer Verfolgung fliehen.

Serbien kann und will aber nur Durchgangsland sein, nicht Ziel für die Flüchtlinge. 
Einen Morgen sehen wir vor dem Bahnhof eine Gruppe Flüchtlinge, die mit einem Schlepper verhandelt. Der verspricht Platz für alle, und Wifi.

Belgrad ist das Ende unserer Fahrradtour. Von hier aus nehmen wir den Zug zurück nach Dortmund, über Budapest und Wien. Wir steigen also in einen der Züge, die den Flüchtlingen verwehrt bleibt - so dass sie auf illegale Schlepper angewiesen sind.


Das hier ist alles, was wir vorzeigen müssen, um zu den wenigen Priviligierten zu gehören.
Vor der Grenze nach Ungarn stoppt der Zug für eine halbe Stunde und serbische Grenzbeamte durchsuchen die Toiletten, leuchten mit Taschenlampen unter die Wagen. Dann stoppt der Zug für weitere 40 Minuten, und ungarische Polizisten und Zollbeamte wiederholen die gesamte Prozedur. Diesmal wird der halbe Zug auseinander genommen, Plastikverkleidungen abgerissen, Deckenverkleidung angehoben. Dann öffnet sich für uns eine Lücke im Stacheldraht, und wir sind in Ungarn. In der Schengenzone. In der EU.
Die Fahrt nach Wien dauert knapp 12 Stunden und kostet uns gut 50 Euro pro Person. Und das nur, weil wir das richtige Stück Papier vorweisen können. Weil wir zufällig im "richtigen" Land geboren wurden. Weil wir nicht auf der Flucht sind und keinen Schutz brauchen. 

Menschen, die um ihr Leben fürchten, und die alles verloren haben, lassen aber nicht aufhalten.

Am Wiener Hauptbahnhof sitzen Männer, Frauen und kleine Kinder, mit schlammverschmierten Schuhen und aufgerissenen Hosen.
Das Plakat des Heeresgeschichtlichen Museums, vor dem sich diese Kinder ausruhen, muss ihnen wie Hohn erscheinen: "Wars belong into museums".

Viele Flüchtlinge nehmen mit uns den Nachtzug von Wien nach Frankfurt am Main. Ein 18-Jähriger aus Aufghanistan erzählt uns, dass er von dort aus nach Paris weiter will, zu seiner Schwester. "Dann will ich studieren und Anwalt werden", erklärt er.


Dienstag, 16. Juni 2015

Adaptation in Amtali and Patuakhali, or: United, We Can Do This

After travelling to Khulna and Bagerhat District in the south-west, and Bogra in the north (where people mainly suffer from floods, though Khulna and Bagerhat are also affected by cyclones and salinity intrusion), my last Field Trip goes to the South Coast, to Patuakhali and Barguna District.
(The bigger picture of flood hazards in Bangladesh can be found here.) 



We start from Dhaka by launch, following the river Padma on its way to the Bay of Bengal.


 The launche terminals are lound and lively, busy places. Most people just stay on the deck over night, sleeping crowded together on the floor - but following the anxious safety advises of our Bangladeshi colleagues, we agree to booking a private cabin for 1000 Taka.

Me and my travel-mate Will Smith from London (also a Visiting Researcher at ICCCAD - and yes, that's his real name) agree that this is the most comfortable way of travelling.
We can enjoy a nice dinner and very nice sleep befor arriving in Amtali the next morning.


In Amtali, we meet staff memers of the local NGO Nazrul Smriti Sangha (NSS), who are implementing an adaptation project funded by Oxfam.

Under this project, the women of Angulkata in Amtali Upazila have formed a Community-Based Organisation to conduct need adssessments, choose which memebers should get financial support from NSS, and monitor the project activities. 


NSS Programme Director Shahidul Islam shows a Risk Map developed by the community, including all households, water supplies, mosques and shelters in the village.


This school is working as cyclone shelter in times of a disaster.
Bagladesh was hit by three big cyclones during the last years.
Losses and casualty numbers of Sidr in 2007 were extremely high. When Aila struck only two years later, many people were very vulnerable due to their insecure housing situation as a result of Sidr. At the same time, awareness had increased, and many lives could be safed.
Mahasen
in 2013 made landfall in the morning, when people were already awake, had recieved information about the upcoming storm, and made the necessary preparations to store their valuable items safely, and seek shelter.
Islam tells us how impressed he was when he visited Angulkata just hours after the cyclone, and found people busy with their daily work, as if nothing had happened.


However, Mahasen destroyed all of the crops that year. Without savings, it is impossible to cope with cyclones.
NSS has provided selected community members with ducks and cows, and trained the women of Angulkata on how to connect with the local market, and how to bargain with their customers to ensure a fair price for eggs and milk.


The strenght and awareness of these women is incredible.
Hawa is only 20 years old. She was married when she was 16, after attending only 10 years of school.
She is super informed about the causes and effects of global warming, and gives a very easy solution: "Those who are cutting the trees, they could make sure to at least plant to new trees before cutting one."
The women in the villages of Amtali unanimously say: "We don't want to migrate. We want to stay here, where our families have lived for centuries, where our home is."


But everyday live is a challenge. Monsoon season is starting later and later each year. The communities run out of fresh water resources during the long summer. This is not only impeding agricultural activities, but also causes health hazards.

Maniral Sultana, Technical Officer at NSS, tells me that water shortage is mainly affecting women: They are responsible for supplying their families with water, for cooking and childcare; and they are also facing hygienic problems if they cannot wash themselves.


In Angulkata, NSS has helped the women to excavate a pond to collect rainwater, and to build a cubicle box with a water pump. "For women only", they tell me proudly.
Bathing in a pond together with men in considered inappropriate - not to speak about taking off your cloths to wash them, or properly wash yourself!


Together with Manira, the women have developed an Annual Plan for the activities they want to undertake to adapt to cliamte change:
Approach the local government to finally include the community in the budgeting process, as required by law. Participate in training on how do prepare for disasters, or how to bargain for fair prices on market. Allocate khash land, and decide about which households should get what kind of inout support, like ducks or cows, from NSS.
The biggest problme, as usual, is the lack of money.



When I ask about the responsibility of countries like Germany to help them, Rahina Begum from the village Uttar Parikata literally shouts at me: “I am blaming you, the developed countries. I’m blaming you, because you are responsible. You are responsible to help us.”

There's literally nothing I could bring up against this argument. I tell her that I agree, but that all I can do is to report back to my country how she feels, and try to make people understand - and act accordingly.



Next day, we visit another NGO, named WAVE, in Patuakhali, only a 40 minutes bus ride away.


The village Boro Awliapur is also suffering from ever-longer summers, and lack of rainfall. More than 200 of the 345 families in this village have been categorised by WAVE as "poor" or "extreme poor".



Afiqul Islam Mizan, a rice farmer from Boro Awliapur and member of the Union Parishad (the local government) tells us that one kind of rice paddy, aus, already got extinct in the area. "Climate change is affecting our total life", he says.
Both land owners like him and day labours and fishermen are suffering from the shortage of water.

The only solution many people see is migration: Trying to find work in Dhaka or other cities, either temporarly or permanently.


Afiqul has a very precise understanding of who should come for help: The Bangladesh Waterboard for canals and irrigation system, the Department of Agricultural Extension for drought-resilient crops, the Youth Development Centre in Patuakhali for skill training for adolescence, NGOs for input supply for the poor. And the community members themselves for getting organised to demand this support.
"We have formed a community group to have unity", he says. "If we are united, we can address the problem."
They have set up a shared bank account to collect money for times of disasters, to help each other out. But Afiqul also points out the responsibility of developed countries: "You are beating me. That’s what causes the health hazard. So, first, you stop beating me. You understand? Stop the greenhouse effect. Then assist us."


During a little tour around the village, I can see how much of a difference a tiny amount of money can make for a whole family's live.
Shadidul Akando was seriously ill last year, lying in hospital, with his wife Shahida and their three daughters struggeling to survive. The family is landless, and had no income opportunity.
WAVE helped Shadidul to set up a little shop, where he now sells self-made snacks. "In the future, we hope we can upgrade our business, and eventually have a homestead of our own", he says.


Rani means "queen" in Bangla - but Urmila Rani is a widow who has to pay school fee for her adolescent daughter, but used to earn only 1800 Taka a month working as a helper in a sewing shop.
WAVE has provided her with a sewing machine and a small stall, in which she has set up her own sewing business.
"I had the skills to do it", she tells me. "All I needed was some bookkeeping training, and the start-up capital."
Now she can make up to 4000 Taka a month during the season of Muslim or Hindu festivals, when people like to order fancy Sarees and dresses.
Urmila is also teaching her 16 year old daughter how to sew. The Ranis can now create their own Sarees - to look like a queen, at least.



On the way back to Dhaka, wich is also the beginning of my way back home, I think about how easily we spend money worth the 14 000 Taka WAVE is granting to each "beneficiary". 160 Euro - that's one Saturday morning of shopping clothes, or one fancy dinner wih the whole family.
How easily we could stay at home to cook, or go to a second-hand market for cloths, and use these 160 Euro to help a whole family change their whole life...

Yes, there is always this issue of "will they make the best out of it?" and "How to make sure the money is not wasted?"
I think daring to waste a jeans and a jumper to give someone the chance to start a new life could actually be worth a try.




What will I take home from five weeks in Bangladesh?

1) Offer my help to foreigners and lost-looking people whereever, whenever. After having recieved to much kindness, help and hospitality, I really want to give something back.

2) Stop complaining about trivial things, and take the incredible smart and strong women of Amtali as role models for how to connect and act collectively in the name of change and social justice.

3) Try to come back to Bangladesh again one day soon - but learn Bangla first!


And what is my conclusion on the topic of Community-Based Adaptation?

1) Adaptation to climate change is a tricky thing: There are so many issues, challenges, contradicting interests. Can it ever be "successful"?

2) People like Hawa and Rahina, Shadidul and Urmila: They don't have a choice. They have to try to adapt as best as they can. And I think we have a responsibility to support them as best as we can.

3) It is important to keep in mind the limitations of adaptation. River erosion and sea level rise permanently displace people. There is no way to adapt on disappearing land. This is where adaptation ends, and loss and damage comes in. The upcoming Conference of the Parties in December in Paris will hopefully, finally address this issue. We do have - at least in theory - the responsibility of "developed" countries to support people in Bangladesh, it's enshrined in the UNFCCC. We now need to think about what to do with those who cannot stay, and need to find a new home - cf. point 1.